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IM SCHATTEN DES ZENTRALPARKS

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Das Satellitenbild des zerstörten Bel-Tempels

Vor zwei Tagen, am Sonntagnachmittag, hat ISIS die Zerstörung von Palmyra mit der Sprengung des Bel-Tempels fortgesetzt. Das Satellitenfoto von gestern, das heute in westlichen Internetmedien veröffentlicht wurde, ist auf den ersten Blick nur ein technisches Beweisbild. Es zeigt den 200 x 200 m großen Tempelbezirk mit dem intakten Gästehaus der Archäologen in der rechten oberen Ecke und einer Erhebung in der Bildmitte, die einen u-förmigen Schatten wirft. Dieses Objekt ist das gigantische, schon lange freistehende Säulentor, durch das man als kleiner Mensch ging, um in den hohen Cella-Raum des Heiligtums zu treten. Die Cella ist nun samt der Säulen, die vor ihrer oberen Längswand standen, zu einem Trümmerfeld zusammengesprengt, das vom Weltall aus gesehen nur noch sanft gewellte Schatten wirft.

Auf den zweiten, den medienbewußten Blick erinnert dieses Abschiedsbild vom Bel-Tempel aber sehr an ein anderes, an den großen Grundriß des Tempels in Robert Woods „Ruins of Palmyra“ von 1753. Die Radierung war der erste Versuch, die Größe und den unglaublich guten Erhaltungszustand des antiken Bauwerks für ein gebildetes westliches Publikum visuell zu verwerten. Aus ihr und den vielen anderen Tafeln des Prachtbandes speiste sich die schnell wachsende Begeisterung für Palmyra. Man erkennt deutlich die beiden dickeren Säulen, die nun im Satellitenfoto übrig geblieben sind. Und beiläufig kann man noch feststellen, daß der Stecher sie spiegelverkehrt nach links versetzt hat. Vermutlich ein Irrtum beim Übertragen der Zeichnung auf die Druckplatte.

Das erste und das letzte Bild des Tempels, 1753 und 2015, Kunstbuchradierung und Satellitenfoto. In beiden Fällen handelt es sich um die geistige Inbesitznahme eines Bauwerks in der syrischen Wüste mit den jeweils fortschrittlichsten Beschreibungstechniken. Beide Bilder verschweigen die Komplexität der fremden Wirklichkeit. Die Grundrißzeichnung zeigt nicht die zahlreichen Lehmhütten der arabischen Bewohner des Tempelbezirks, und die digitale Aufnahme der Überwachungskamera gibt indirekt zu, daß wir hilflos auf einen Satelliten angewiesen sind, um uns ein unscharfes Bild von der Kriegsrealität zu machen. Beide Bilder sind Zeugen einer Aneignungskultur, die von „Weltkulturerbe“ spricht, wenn sie doch nur unsere Bildungsgüter und unseren Tourismus meint.

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